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Des Skifahrers stille Revolution

Wir stehen in zweieinhalb Tausend Metern Höhe am Kitzsteinhorn. 18 Grad Minus, Sturm - die Schneeflocken kommen waagrecht daher. Zu einem engen Kreis gegen den Wind und die Kälte ist unsere Gruppe zusammengerückt. Mit ruhiger Stimme fordert uns Psychologin Paola auf, unsere Energieströme im Körper zu wecken - kaum ist ihr Gesicht im Schneegestöber zu erkennen. Die Namen der Meridiane, die uns Offenheit, Zuversicht, Vertrauen und Zielstrebigkeit geben sollen, klingen aus ihrer Kapuze hervor bevor sie der Wind als Wortfetzen in die Berge trägt ...

"Schluss mit dem Stockeinsatz"

„Offenheit“ und vor allen Dingen, Bereitwilligkeit, alte und ausgetretene Pfade, oder vielmehr ausgetretene Pisten zu verlassen, sollte der Skifahrer in jedem Fall mitbringen, der sich der ungewöhnlichen Technik und Methodik von Ernst Garhammer und seinem Team anvertraut. Wer dazu bereit ist, den erwartet dann ein allerdings revolutionäres Erlebnis. Voraussetzung ist, sich im Kopf zunächst von aller so mühselig erlernten Skitechnik zu trennen. Fast neidisch blicken wir auf den absoluten Neueinsteiger in den Wintersport. „Schluss mit dem Stockeinsatz“, predigt Ernst Garhammer, früher Freestyler und mehrfacher Europameister und Weltcupsieger. „Die Stöcke sind die größte Bremse, sie dürfen allenfalls der Balance dienen.“
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ABS-Technik erinnert ans Skifahren der 20er und 30er Jahre

ABS lauten die Zauberbuchstaben, die bei Garhammer so gar nichts mit dem Anti-Blockier-System der Autotechnik zu tun haben. Im Gegenteil: Andrehen, beugen und strecken sollen dem Skifahrer zum beschwingteren, gelenk- und rückenschonenden Fahren verhelfen. Mit einem beherzten Schwung gilt es jede Richtungsänderung durch Hand und Arm einzuleiten und ohne den gewohnt energischen Kantendruck den Ski weich laufen zu lassen. „Dabei soll man sich die Kinder als Vorbild nehmen: Ihre Bewegung beim Skifahren kommt der natürlichen Bewegung des Körpers nahe. Sie balancieren alles mit den Armen aus. Das verkrampfte auf dem Ski stehen, mit einbetoniertem Oberkörper, so, wie es in den vergangenen Jahren in Deutschland gelehrt wurde, ist gesundheitsschädigend“, kritisiert Garhammer, dessen ABS-Technik ein bisschen ans Skifahren der 20er und 30er Jahre erinnert. „Wir haben auf der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten analysiert, probiert und geforscht. Und dabei ist mir auch ein ganz alter Skilehrplan in die Hände gefallen“, bestätigt er. „Das betonte Andrehen, wie wir es machen, kommt der früheren Rotation sehr nahe.“

Kritik am Deutschen Skilehrwesen 

Die Technik, wie sie heute vom Deutschen Skilehrwesen unterrichtet werde, sei hingegen kraftraubend und belastend für die Gelenke. „Schon bei der Anfängerschule, dem Pflugfahren, bilden die Knie einen fatalen Winkel. Das setzt sich bis in bestimmte Carving-Formen fort. Die ganze Technik ist für Rücken und Gelenke jedenfalls nicht gerade gesundheitsfördernd.“ ABS bringe dem Skifahrer Standvermögen und Sicherheit, argumentiert Garhammer und hat für jeden, der sich seinen Kursen anvertraut, jede Menge Übungen auf Lager. „Die Sache fängt im Kopf an“, lehrt er und nennt damit den Grund für die psychologische Begleitung und Betreuung, die wir in unserem Kursus erfahren. „Wer heute immer noch nicht einsieht, was mentale Fähigkeiten bedeuten, hat im Sport und anderswo das Nachsehen.“ Die Konzentration auf den Punkt bringen – darauf komme es an, doziert er. „Wie bei eine m Musikstück, bei dem bereits der erste Takt sitzen muss, muss im Skifahren die erste Kurve sitzen. Dann erst findet man zum eigenen Rhythmus und kann die Technik umsetzen.“

Erst die Arbeit, dann das Erlebnis

Vor dem grandiosen Erlebnis, die Buckelpiste sturzfrei zu durchfahren und den unberührten Tiefschneehang zu durchschweben steht allerdings, wen wundert’s – auch hier ein gutes Stück Arbeit. Sonderbar kommen wir uns vor, als wir die Stöcke vor dem Körper zum Dreick halten, beherzt „andrehen“ und die Falllinie suchen - immer und immer wieder.  Und abends, nach einem übungsreichen Tag, steht dann die Videoanalyse durchs Trainerteam auf dem Plan. Auf seine Vergangenheit als Skifilmer kann der Ex-Freestyler Garhammer dabei zurückgreifen: Mit einer seiner Produktionen hatte er unter anderem 1978 das internationale Skifilmfestival von New York gewonnen.
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Mit neuer Technik sicherer auf dem Ski stehen

Vergleichsweise schnell platzt dann auch für den, der sich auf die Methodik einlässt, der berühmte Knoten: Ohne Kraftaufwand und mit ziemlich hohem Fahrvergnügen geht schließlich über die Pisten und ab ins Gelände.  „Das wohl wichtigste Ergebnis der ABS-Technik ist, dass die Fahrer sicherer auf dem Ski stehen“, unterstreicht Garhammer. Auch bei schlechter Sicht und in schwierigem Gelände ist man souveräner unterwegs, als mit aller herkömmlichen Technik.“

Garhammer will alte Zöpfe abschneiden

Dass sich der frühere Buckelpistenstar, der selbst einige Figuren und Sprünge erfand und Mitglied im Deutschen Skilehrerverband ist, mit seiner Kritik an der Technik, wie sie vom DSV gelehrt wird, nicht nur Freunde macht, liegt auf der Hand. „Da prallen eben Welten aufeinander“, zuckt er mit den Schultern. „Von Verbandsseite ist man nicht bereit, alte Zöpfe abzuschneiden – Skifahren könnte ein ausschließlich gesundheitsfördernder Sport sein. Und außerdem würden unsere Rennlauf-Asse auch nicht weiter hinterher fahren. Der Österreicher Hermann Mayer zeigt, welche Bedeutung die richtige Arm- und Oberkörperhaltung hat. Nicht die Stangen möglichst dicht anzufahren sondern permanenten Zug auf dem Ski zu bringen und eine sichere Linie zu fahren ist entscheidend.“
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Text:

Barbara Benstem
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erstellt am 14 Mar 2004

Forum und Usermeinungen

günther
am 21.04.2017
garhammer hat recht, vorausdrehen, der ski stellt sich flach, die beine drehen nach. die schweiz fährt so frankreich auch.
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